Jahre der Revolution
Derzeit wird von den MX-Herstellern
ja mächtig viel Neues entwickelt. Yamaha baut den Motor verkehrt herum
ein, KTM bringt mit der 350er eine neue Kubik-Klasse auf den Markt mit
der noch dazu Cairoli in der WM die Konkurrenz in der 450er Klasse versagelt
und nun verbaut Kawasaki bei dem 250er 2011er Modell auch noch die SFF-Gabel
von Showa.
Ein Motocrosser hat mal
zu uns gesagt "Es wird nicht mehr lange dauern da wird ein Hersteller wieder
den Doppelstoss-Dämpfer für hinten erfinden" :-) Wir haben uns
voll drüber zerkugelt aber wenn man länger drüber nachdenkt
... ;-)
Aber solche Neuerungen sind
kein Nachteil für uns. Im Gegenteil, solange diese Neuerungen Verbesserungen
für uns bringen und es funktioniert, und das tut es, können wir
Hobby-Crosser nur davon profitieren. Gerade bei dem Konzept der brandneuen
SFF-Gabel für die 250er 2011er Kawa waren viele neugierig ob so etwas
überhaupt funktionieren "kann". Händler und Importeure hatten
die letzten Wochen seit Ankündigung der SFF-Gabel deshalb etwas Bauchflattern
ob diese technologische Neuentwicklung eventuell nicht nach hinten losgehen
könnte. Aber wir können beruhigen, supercross.at war vorige
Woche beim internationalen Presse-Test in Gallarate (Italien) eingeladen
und wir sind die KX250F gefahren. Danach waren wir uns einig, das ist wahrscheinlich
die beste Serien-Gabel die jemals in Serienmotorrädern ohne Aufpreis
verbaut wurde. Wenn man bedenkt was manche Nachrüstgabeln kosten und
was sie leisten dann hat Kawa mit dieser Serien SFF-Gabel wirklich einen
Goldgriff getan denn diese kommt an solche edlen Teile schon verdammt nah
ran.
Wir schickten Philipp
Buchegger für uns nach Gallarate um der neuen 2011er KX250F mal
auf den Zahl zu fühlen.
Die Kawa wird
präsentiert wie ein Diamanten-Collier bei Tiffany
Philipp:"Im
Hotel erfolgte nach einem Willkommens-Drink die Pressevorstellung der neuen
KX 250 F. Sie war dort in einem eigens für die Journalisten angemieteten
Raum ausgestellt, pipifein poliert und mit edelstem Zubehörteilen
versehen. Wir haben uns die zuerst fast nicht angreifen getraut wie sie
da rumgestanden ist. Auch ein Akrapovic Auspuff für die KX 250 F wurde
dort übrigens präsentiert. Als ich diesen Auspuff aufhob konnte
ich kaum glauben wie leicht dieser Titan-Auspuff ist. Für dieses doch
sehr grosses Stück samt Krümmer usw. hat der Auspuff ein echtes
Fliegengewicht, den kann man mit 2 Finger locker aufheben, ich dachte mir
das gibt es nicht. Nachem wir uns von der neuen Kawa sattgesehen haben
gab es die Pressekonferenz wo wir sie detailliert erklärt bekamen.
Hauptschwerpunkt war da natürlich die neue Gabel von Showa. Ein komplett
neues Konzept das als SFF (Separate Function front Fork) bezeichnet wird.
Auch der Kit zum Selber-Uploaden von Mappings wurde dort präsentiert.
Man kann damit dem Einspritz-Motor verschiedene vorgefertigte Mappings
raufspielen oder selbst Mappings programmieren, die Motorcharakteristik
also damit steuern."
Aber kommen wir
vorher noch zum Theoretischen bevor wir uns den ersten Fahreindrücken
widmen
Theorie
- Motor
Der
Motor ist bei der 2011er KX250F nun auch ein Motor mit Einspritzung. Düsenwechseln
gehört somit nun auch bei der 250er der Vergangenheit an. Die Einspritzung
hat sich gerade bei den hochgetunten MX-Motoren als etwas sehr Sinnvolles
erwiesen, der Motor reagiert so auch bei extrem hoher Drehzahl sehr zuverlässig.
Ein neuer Kolben und eine höhere Kompressionsrate hat dem Murl auch
etwas mehr Drehzahl und Leistung gebracht. Die Leistung war aber nicht
das Wichtigste was Kawasaki im Fadenkreuz hatte. Ziel war es auch das Drehzahlband
besser zu nutzen und die Leistung besser zu verteilen. Der Kolben weist
laut Kawasaki übrigens auch das gleiche Design wie in den Werks-Bikes
von Villopoto, Frossard & Co. auf. Der Zylinder wurde durch die höhere
Kompressionsrate etwas niedriger. Auch bei den Titanventilen, Kurbelgehäuse,
Zündung usw. hat man Verbesserungen durchgeführt.
Theorie
- Fahrwerk
Die
SFF-Gabel von Kawasaki trennt die Einheiten von Zug- und Druckstufe und
Feder. Während die eine Einheit nur die Feder beeinhaltet, sind in
der anderen Einheit Druck- und Zugstufe verbaut. Die Vorteile dieses Gedanken
sind vielseitig. Z.B. hat die Gabel dadurch weniger Gewicht und man kann
das Gewicht auch besser verteilen. Bei der SFF-Gabel ist die Feder in der
rechten Gabel weil diese etwas schwerer ist, aber der Bremssattel samt
Scheibe links angebracht ist. Man verteilte also in der Gabel das Gewicht
unter Rücksichtnahme auf Bremssattel und Scheibe und balanciert dadurch
den vorderen Teil des Motorrades besser aus als bei einer gewöhnlichen
Gabel. Die Gabel hat nur eine Feder, was die gesamte Gabel schon vom Grundgewicht
leichter macht als eine Gabel herkömmlichen Systems.
Bei Kawasaki gibt man an
dass dadurch auch die Schläge in die Gabel besser verarbeitet werden
können. Das getrennte System ergibt auch eine Platzersparnis den man
für einen grösseren Dämpfungskolben wie auch einen Preload-Adjuster
genutzt hat. Ein Preload Adjuster, mit dem man den Durchhang der Feder
auf einfache Weise einstellen kann, hat ebenfalls grosse Vorteile beim
Abstimmen des Fahrwerks auf verschiedenste Streckenverhältnisse
und erspart einem manchmal sogar das Tauschen der Feder. Die Gabel ist
(lt. Kawasaki) super-hart titan-beschichtet um die Reibung zu minimieren
und Kratzer zu vermeiden. Es gibt 22 Druck- und 20 Zugstufen Einstellmöglichkeiten
sowie unglaubliche
60 (sechzig!!!) Einstellmöglichkeiten für den Preload Adjuster.
Die blaue Beschichtung samt dem oberen blauen Aluminium-Finish gibt der
Gabel noch den letzten ultimativen Racing-Look.
Praxis
- Fahreindrücke
Neben vielen neuer kleinerer
Details sind die wichtigsten Neuerungen bei der neuen 2011er KX250F die
Einspritzung sowie die neue SFF-Gabel von Showa. Auf diese beiden Dinge
wollen wir uns auch hauptsächlich konzentrieren.
Praxis
- Motor
Man
muss 2-3 Mal den Kickstarter treten um die Zündung aufzuladen und
den Motor dadurch starten zu können. Im warmen Zustand dagegen reicht
ein Kick für das Starten des Motors aus. Der Vorteil ist, dass man
somit auf eine Batterie verzichten kann. Der Nachteil, dass man beim ersten
Mal Starten 2-3 Mal treten muss, ist da zu vernachlässigen. Es ist
ja auch ein Rennbike, kein Damenscooter ;-)
Der neue Einspritz-Motor
macht in den ersten Runden sofort einen sehr guten Eindruck. Unser subjektiver
Eindruck von der Motorleistung ist nicht so dass es ein Riesenunterschied
bezüglich der Leistung zum 2010er Motor ist, der Motor subjektiv also
nicht sehr viel stärker ist, sondern eher dass das Leistungsband immens
verbessert wurde. Es hat uns überrascht wie gleichmässig der
Drehmomentverlauf des Murls von unten raus ist, dies wird vor allen Dingen
den Hobby-Fahrern sehr zugute kommen. Sie beschleunigt ohne Loch von unten
weg bis in die hohen Drehzhalen durch rauf dass man es kaum glaubt. Was
auch ein grosser Vorteil des neuen Motors bzw. der Einspritzung (beim Motor
selbst wurde ja nicht soviel umändert) ist, wenn man den Schaltpunkt
nicht genau erwischt, macht ihr dies nichts aus, sie zieht mit dem nächsthöheren
Gang trotzdem super weg.
Philipp:"Das war bei der
2010er nicht so. Wenn man bei der 2010er den Schaltpunkt bei steilen Auffahrten
nicht genau erwischt hat lief man immer Gefahr dass sie etwas zu schwächeln
anfing. Das ist jetzt bei der 2011er nicht mehr der Fall. Insofern kann
man sagen der Motor hat sicher mehr Leistung, aber diese wurde einfach
viel besser verteilt.
Durch die Einspritzung spricht
sie auch extrem schnell aufs Gas an. Wenn man Gas gibt soll man sich sicher
sein dass jetzt der richtige Zeitpunkt zum Gasgeben ist da der Motor ohne
Verzögerung sofort darauf reagiert."
Praxis
- Fahrwerk
Die neue Gabel vorne arbeitet
perfekt. Wir müssen gestehen, wir haben uns mit etwas Skepsis der
Gabel genähert denn das Konzept ist schon mehr als ungewöhnlich.
Aber sie funktioniert, und wie! Wir denken dass die Chancen sehr gut liegen
dass diese neue Gabel die beste Serien-Gabel von allen 2011er Modellen
sein könnte. Da wird sich die
Konkurrenz sicher schwer
tun diese zu übertrumpfen. Kawasaki hat mit diesem mutigen Schritt
die neue 250er serienmässig mit der SFF-Gabel auszurüsten sicher
wieder den MX-Bereich um eine Evolutions-Stufe nach vorne katapultiert.
Ein gutes Fahrwerk ist für uns Hobby-Crosser sogar um einiges wichtiger
als ein guter Motor. Aber nicht nur dass sie sehr gut alle möglichen
Bodenunebenheiten, Sprünge, Grenz-Situatonen oder sonstwas Erdenkliches
was ein MX-Bike fordert, perfekt verarbeitet, auch die Einstellung der
Gabel ist sehr feinfühlig. Mit nur wenigen Klicks reagiert die Gabel
sofort komplett anders, das ist das was uns am meisten zu denken aufgab.
Die Zeiten des Shimsen, Federn-Tauscherei usw. könnten da vorbei sein.
Philipp
versuchte dann, als die Strecke schon etwas ausgefahren war, absichtlich
in den zerbombten Abschnitten die Gabel an ihre Grenzen zu bringen. Philipp:"Als
ich es endlich geschafft hatte dass die Gabel etwas unruhig wurde hat mir
der Showa-Techniker dieses Verhalten mit nur 2 Klicks an der Zugstufe dann
behoben. Ich war verblüfft. Als er die Klicks drehte dachte ich mir
zuerst noch 'Sind die 2 Klicks nicht zu wenig? Hat er mich richtig verstanden?'
aber das Motorrad lag dann selbst in diesen Bombenkratern komplett ruhig."
Das System der SFF-Gabel
funktioniert also, und wie. Die anderen Gabelhersteller werden wohl nicht
darum herumkommen sich mit dem SFF-System demnächst näher auseinander
zu setzen.
Philipp:"Aber nicht
nur die Gabel macht einen sehr guten Eindruck, auch der hintere Stossdämpfer
hat mich total überrascht. Für einen Seriendämpfer arbeitet
dieser extrem ruhig und schluckt jedes Schlagloch sehr gut weg. Wir sind
in Gallarate doch sehr viel gefahren, ich selbst 6 x 20 Minuten, und haben
alle erdenklichen Situationen ausprobiert aber es gab den ganzen Tag über
kein einziges Problem mit der neuen SFF-Gabel oder dem Fahrwerk. Das Bike
lag wie angenagelt am Boden und setzte die Traktion super um."
Was wurde an der
neuen 2011er sonst noch verbessert?
Der Rahmen ist gegenüber
der 2010er ziemlich gleich geblieben. Die Schwinge hat man allerdings von
der 450er übernommen und ist nun etwas länger. Dafür hat
man den Offset der Gabel vorne verkürzt um sie wendiger zu machen.
Der Auspuff hat hinten mehr Durchmesser, das erste Stück vom Krümmer
vom Motor weg steht auch nicht mehr so weit vorne raus was viele Fahrer
bei der 2010er etwas gestört hat. Was einem sofort auffällt ist
auch dass sie um einiges leiser ist als die 2010er. Im Bereich der Bremse
hat sich zur schon sehr guten 2010er Bremse nichts geändert. Vom Schalten
her geht sie wie für eine Kawasaki gewohnt sehr zackig. Im Vergleich
mit anderen Bikes geht die Kawasaki vielleicht etwas schwerer zum Schalten
aber es ist kein Nachteil, so weiß man dass das Getriebe den Gang
genommen hat was bei manchen Bikes nicht immer der Fall ist. Es gibt übrigens
einen Hersteller wo zwischen Motorradfahrern der Scherz umgeht dass es
zwischen 3.ten und 4.ten Gang einen zweiten Leerlauf gibt weil da öfters
das Getriebe beim Schalten den Gang nicht nimmt. Witzigerweise ist dies
auch bei vielen derer Strassenmodelle der Fall. Kawasaki ist es nicht,
da klacken die Gänge rein. ;-)
Fazit
Philipp:"Ich
bin ja sozusagen ein Kawasaki-Urgestein, habe bereits schon die erste 2004er
KX250F damals gefahren, die war wenn man sie mit der heutigen KX250F vergleicht
eine richtige Zicke. Sozusagen die Paris Hilton unter den Motorrädern.
Da waren die letzten Baujahre der 250er Kawa richtige Ladies dagegen. Kawasaki
hat die 250er Jahr für Jahr kontinuierlich verbessert und eigentlich
nie eine Entwicklungspause eingelegt, die Weiterentwicklung also ständig
forciert. Dass in der Hobby-Szene die KX250F so beliebt ist kommt also
nicht von ungefähr. Mit der neuen SFF-Gabel ist Kawa in diesem Bereich
erstmals einen Schritt vor der Konkurrenz. Man darf neugierig sein mit
welchem System die anderen Hersteller ihre 2011er Bikes rausbringen."
Die KX250F gibt es ab September
bei euren Kawa-Händler. Der Preis steht noch nicht fest, wird aber
sicher so im Bereich des 2010er Modells herum liegen schätzen wir
mal.
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